uf einen Streit muss keine Ehekrise folgen. Sich zu streiten, gehört zum Alltag einer Beziehung. Meist sind es Kleinigkeiten, die aufgrund von persönlichen Befindlichkeiten in einem verbalen Konflikt enden. Manchmal steckt Größeres dahinter wie die Erziehung der Kinder, Probleme mit den Schwiegereltern, der Umgang mit Geld etc. Ab wann schaden die Streitigkeiten den Ehepartnern? Was ist gesund? Absolute, in Stein gemeißelte Antworten gibt es darauf wie so oft nicht, aber es gibt durchaus Anhaltspunkte.
Streit lässt sich nicht vermeiden
Ein Ehepaar setzt sich aus zwei Persönlichkeiten zusammen. Deswegen sind Streitereien unvermeidlich. Oft treten sie nach dem ersten Verliebtheitsgefühl auf und ziehen sich über die komplette Ehe hinweg. Nach Umfragen nehmen sie mit dem Alter allerdings ab.
Ob ein Streit produktiv und damit gut ist oder sich eher negativ auf die Beziehung auswirkt, hängt von der Fähigkeit der Ehepartner ab, gemeinsam gewaltfreie Kommunikation zu führen. "Gewaltfrei" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man sich nicht absichtlich (oder unabsichtlich) seelisch verletzt. Dies nimmt einen immensen Einfluss darauf, inwiefern die Liebe bestehen bleibt oder es zur Trennung kommt.
Ein Blick in den Körper: Was passiert mit uns während eines Streits?
Wenn wir wissen, was bei einem Streit passiert, erklärt sich von selbst, warum er unangenehm ist und weswegen wir dazu neigen, unfair zu werden. So gerät Dein Körper in Alarmbereitschaft und Stress, was mit einer Vielzahl von physiologischen und psychologischen Veränderungen einhergeht. Zuallererst steigt die Aktivität des sympathischen Nervensystems, was zu erhöhtem Herzschlag, erhöhtem Blutdruck und gesteigerter Atmung führt. Der Körper setzt Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol frei, um uns auf die Auseinandersetzung vorzubereiten. Dies führt dazu, dass unsere Muskeln sich verspannen und unsere Sinne geschärft werden. Gleichzeitig werden Teile des Gehirns aktiviert, die mit der Emotionsregulation und dem Kampf- oder Fluchtinstinkt zusammenhängen. Dies begünstigt ein impulsives Handeln und beeinträchtigt die Fähigkeit zur rationalen Entscheidungsfindung.
Extratipp: Versuche einmal, Dich selbst genau zu analysieren, wenn ein Streit entsteht. Das ist aufgrund starker Gefühle sehr wahrscheinlich nicht leicht. Probiere es dennoch mal aus. Du wirst sehen, dass bereits die Beobachtung Deiner selbst mit dazu beiträgt, an Gelassenheit zu gewinnen. Und je gelassener Du bist, umso besser bzw. produktiver streitest Du.
Streit als Beziehungshelfer
Ein produktiver Streit nimmt in Beziehungen eine positive Rolle ein. Er ermöglicht es, Konflikte in aller Ehrlichkeit anzusprechen, Meinungsverschiedenheiten zu klären und gemeinsam Lösungen zu finden. Ein gesunder Streit fördert die Kommunikation, stärkt das Verständnis füreinander und vertieft die Bindung, da beide Partner die Chance haben, ihre Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken. Allerdings ist es entscheidend, dass dieser Konflikt respektvoll und konstruktiv geführt wird, ohne Verletzungen oder Vorwürfe. (Ja, das ist echt schwierig!) Beide Seiten sollten bereit sein, zuzuhören und Kompromisse einzugehen. Auf diese Weise trägt Streit dazu bei, die Beziehung zu verbessern, anstatt sie zu belasten.
Streit als Beziehungskiller
Streit kann zu einem ernsthaften Beziehungskiller werden - insbesondere dann, wenn er nicht konstruktiv gehandhabt wird. Der renommierte Paarforscher John Gottman hat das Konzept der "Gottman-Konstanten" entwickelt, um die Stabilität von Beziehungen vorherzusagen. Dieses Modell basiert auf der Idee, dass in gesunden Beziehungen, das Verhältnis von positiven zu negativen Interaktionen mindestens 5:1 beträgt. Das bedeutet, dass für jede negative Auseinandersetzung oder Kritik mindestens fünf positive Momente der Verbindung stehen sollten.
Wenn dieser Balanceakt gestört wird und Konflikte überhandnehmen, kann die Beziehung ernsthaft gefährdet sein. Ständige Streitigkeiten, ungelöste Konflikte und eine negative Kommunikationsweise beeinträchtigen die Intimität zwischen Partnern erheblich. Wiederholte Verletzungen, Vorwürfe und ein mangelndes Verständnis für die Bedürfnisse des anderen untergraben das Vertrauen und richten emotionalen Schaden.
Im Klartext: Beinhalten die Streitereien Kritik unterhalb der Gürtellinie, Gegenangriffe, verachtende Worte und/oder das Ignorieren des Partners, ist der Streit eher schädlich als nützlich. Dies bedeutet nicht, dass solch ein Streit IMMER in einer irreparabelen Ehekrise oder in der Scheidung enden muss. Er begünstigt diese nur. Wichtig ist, so gut wie möglich diese schlechten Verhaltensweisen und Taten aus der Beziehung herauszuhalten. Letztlich ist es wichtig, Konflikte in gesunde Bahnen zu lenken.
Tipps für das richtige Streiten
Richtiges Streiten ist eine Kommunikation auf Augenhöhe ohne Gewalt und Eskalation. Hierzu einige Tipps:
- Ruhe bewahren: Versuche, ruhig zu bleiben, bevor Du reagierst. Tief durchatmen und Deine Emotionen zügeln.
- Zuhören: Höre aktiv zu, wenn Dein Gesprächspartner spricht. Vermeide es, bereits während des Sprechens zu unterbrechen.
- "Ich"-Aussagen: Verwende "Ich"-Aussagen, um Deine Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken, anstatt Schuldzuweisungen zu machen. Zum Beispiel: "Ich fühle mich verletzt, wenn..." statt "Du machst immer..."
- Klare Kommunikation: Sei klar und präzise bei der Darlegung Deiner Standpunkte und Bedenken. Wenn einem das spontan schwerfällt hilft es, bereits vorher (falls möglich) die Gedanken zu ordnen, um wirklich nur das zu besprechen, was man im Kern sagen will.
- Respekt: Respektiere die Meinung Deines Partners, selbst wenn Du anderer Meinung bist. Beleidigungen, Herabsetzungen und Schuldzuweisungen solltest Du unbedingt vermeiden. (Das gilt natürlich für BEIDE Partner!)
- Kompromisse finden: Suche nach Lösungen, die beiden Parteien gerecht werden. Sei bereit, Kompromisse einzugehen, um eine Einigung zu erzielen.
- Zeit nehmen: Wenn die Emotionen hochkochen, ist es okay, eine Pause einzulegen und das Gespräch später fortzusetzen. Dreh eine Runde um den Block, richte Deine Aufmerksamkeit bewusst auf Deine Umgebung (Extroversion) oder sortiere in aller Ruhe Deine Gedanken!
- Lösungsorientiert sein: Fokussiere Dich auf die Lösung des Problems, nicht auf das Festhalten an vergangenen Fehlern und darauf "warum es so nicht geht".
- Vergebung: Lerne, zu vergeben und weiterzugehen, wenn der Streit beigelegt ist. Trage keine alten Konflikte immer wieder vor und halte nicht obsessiv an ihnen fest.
Ein festgefahrener Streit: Was jetzt?
Es gibt Gründe für Streitigkeiten, die sich nicht so leicht aus dem Weg räumen lassen. Sie sind besonders gefährlich für eine glückliche Ehe, denn sie tauchen immer wieder auf und vergiften so die Partnerschaft. Außerdem bieten sie die ideale Grundlage für einen Streit, der aus Frustration in einer Eskalation endet. Was ist nun zu tun?
Wenn keiner der Ehepartner die Bereitschaft zeigt, die Meinung zu ändern, sollte die Suche nach alternativen Wegen erfolgen. Das ist eine produktive Lösung, um mit dem Konflikt umzugehen und die Beziehung zu schützen. Hier sind einige Schritte, die in Betracht gezogen werden können:
- Als erstes ist es entscheidend, die Situation aus einer Perspektive des Verständnisses zu betrachten. Beide Parteien haben ihre Gründe für ihre Standpunkte, und es kann hilfreich sein, die Motive hinter den Meinungen zu verstehen, selbst wenn man nicht damit einverstanden ist.
- Als zweites ist es sinnvoll, nach gemeinsamen Zielen zu suchen. Auch wenn die Meinungsverschiedenheiten bestehen bleiben, könnten es gemeinsame Werte oder langfristige Ziele geben, auf die man sich konzentriert. Diese dienen als Grundlage für die partnerschaftliche Zusammenarbeit, selbst wenn die Meinungen in einem bestimmten Bereich auseinandergehen.
- Als drittes könnte die Einbeziehung einer neutralen dritten Person in Erwägung gezogen werden. Das ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn nicht jeder „Mediator“ ist unparteiisch und beziehungsfördernd.
Schließlich ist es wichtig zu akzeptieren, dass nicht alle Meinungsverschiedenheiten gelöst werden müssen. Manchmal ist es sinnvoll, zuzustimmen, nicht übereinzustimmen, und die Meinungsverschiedenheiten in einer respektvollen und konstruktiven Weise zu verwalten.
Nutzt Streit zur Weiterentwicklung der Partnerschaft
Sieh' Streit in einer Partnerschaft als Gelegenheit zur Weiterentwicklung und Stärkung der Beziehung an. Konflikte eröffnen die Möglichkeit, eine offene Kommunikation zu fördern und Missverständnisse aufzudecken sowie zu klären. Ist das nicht großartig? Im Verlauf eines Streits erlernen Partner, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken, wodurch sich die Kommunikationsfähigkeiten verbessern und sich beide Parteien besser verstehen.
Ebenso zwingen Konflikte dazu, über eigene Ansichten und Verhaltensweisen nachzudenken, was zu persönlichem Wachstum führt. Die Entwicklung von Problemlösungsfähigkeiten und Kompromissbereitschaft stellt eine weitere positive Seite von Streitigkeiten dar. Die Fähigkeit, die Perspektive des Partners zu verstehen, wird durch Konflikte gestärkt und fördert das Verständnis und die Bindung. Dies beugt Ehekrisen effektiv vor.
Überdies stärkt die konstruktive Bewältigung von Konflikten das Vertrauen in die Partnerschaft, da beide erkennen, dass sie gemeinsam Herausforderungen bewältigen können. Solche Konflikte eröffnen dem Paar auch die Sicherheit, dass zukünftige Herausforderungen und Krisen bewältigt werden können. Eine offene, respektvolle und konstruktive Kommunikation fungiert für Dich und Deinen Ehepartner als Schlüssel, um Streitigkeiten als Partnerschaftsbooster zu nutzen.
Dieser Artikel enthält Links zu den folgenden Beiträgen:
- Ehekrise Wegen Kindern: Bei 30 % Mündet Sie In Einer Trennung
- Ehekrise Meistern: Gibt Es Anzeichen Für Das Beziehungsaus?
- Ehekrise: Ab Wann Besser Trennen?
- Ehekrise Meistern: Was Machen Glückliche Paare Anders?
- Ehekrise Meistern: Wie Kritisiere Ich Meinen Partner Richtig?
- John Gottman
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