enn du gerade in einer Ehekrise steckst oder sie sich anbahnt, dann fragst du dich vielleicht, ob du und dein Partner zusammenpassen. Diese Frage solltest du nicht vorschnell beantworten, denn in Momenten großer Wut oder Traurigkeit ist die Wahrnehmung durch die starken Emotionen eingeschränkt. Nimm dir dann hinreichend Zeit und warte, bis die starken Gefühle abgekühlt sind. Dann kannst du in Ruhe überlegen, was euch als Paar ausmacht. Weshalb habt ihr geheiratet? Worin besteht eure Harmonie? Worin liegen die Gegensätze? Häufig ist es gerade der gesunde Mix an gleichen und unterschiedlichen Eigenschaften, die dafür sorgen, dass zwei Menschen langfristig zusammenpassen.
Gegensätze ziehen sich an?
In den 1950er Jahren entstand von dem Soziologen Robert Winch eine aufsehenerregende Theorie zur Bedürfnisbefriedigung des Menschen in Bezug zur Partnerwahl. In dieser zeigt Winch auf, dass sich Gegensätze tatsächlich anziehen und dies Sinn ergibt. So würden wir uns oft in jemanden verlieben, der ganz anders erscheint, als wir es sind. Durch diese Gegensätze würden wir uns selbst komplementieren bzw. vervollständigen und ergänzen. Kurzum: Was uns an Eigenschaften fehlt, holen wir uns durch den Partner.
Ein Beispiel: Ariane ist eher introvertiert. Sie ist zwar gern unter Menschen, aber hört lieber zu und mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Auf einer Party fällt ihr Peter auf, der sehr extrovertiert ist. Er kennt jeden auf dem Fest und unterhält mit seiner lustigen Art die Gesprächsrunden. Ariane verliebt sich sofort in ihn. Auch Peter interessiert sich für sie, denn Ariane wirkt sehr geheimnisvoll, besonnen und abwartend. Er wäre gern ein bisschen mehr wie sie und sie wäre gern ein bisschen mehr wie er. Da beide den anderen außerdem in Bezug auf die Optik attraktiv finden, funkt es.
Das stark vereinfachte Beispiel veranschaulicht die These von Winch. Wir würden uns somit einen Partner suchen, der Eigenschaften in die Partnerschaft bringt, die von unseren abweichen. Dadurch ergänzt er uns und wir kollidieren nicht mit ihm.
Nur so würde eine ganzheitliche Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse möglich sein. Würde Ariane beispielsweise einen schüchternen Partner haben, wäre das Sozialleben der beiden vermutlich um einiges eingeschränkter. Das möchte Ariane aber nicht. Würde Peter eine stark extrovertierte Partnerin suchen, würde sie ihm den Platz als Partylöwe streitig machen.
Die richtigen Gegensätze ermöglichen ein Zusammenpassen
Wichtig ist in Winchs' Theorie der Punkt der Komplementarität. Es sind also Gegensätze, die sich tatsächlich ergänzen und somit langfristig anziehen. Beide Partner profitieren davon, wodurch Harmonie entsteht. Mit der Harmonie wäre es jedoch schnell vorbei, wenn es Gegensätze wären, die sich abstoßen. So würde eine Distanz zwischen den Partnern entstehen, die sich kaum überwinden ließen. Bestehen große Gegensätze bezüglich des Wertesystems oder der Bildung, ist die Harmonie gefährdet.
In einer gesunden Beziehung holt der eine das Beste aus dem anderen heraus. Er bereichert ihn und verhilft ihm über die Jahre hinweg zu einer positiven Weiterentwicklung.
So entsteht eine Bindung zwischen beiden Ehepartnern. Das heißt nicht, dass beide sehr gleich sein müssen oder ständig Einigkeit in allen Aspekten besteht. Wichtig ist, dass das Wertesystem sehr ähnlich ist. Auf diese Weise können wir in Krisenzeiten für unseren Ehepartner eine wahre Stütze sein, was für eine lange Partnerschaft von größter Bedeutung ist.
Ähnlichkeiten sind für die Harmonie unerlässlich
Damit die Chemie in einer Partnerschaft stimmt, sollte sich – wie bereits erwähnt – das Paar in gewissen Dingen stark ähneln. Denn was uns verbindet, wird stets relevanter sein als das, was uns voneinander unterscheidet. So kann es hilfreich sein, wenn sich beide ein sehr zeitaufwendiges Hobby wie den Reitsport miteinander teilen. Auf diese Weise lässt sich gemeinsam eine glückliche Freizeit gestalten und es gibt viel Gesprächsstoff außerhalb des Stalls.
Die Punkte, in denen sich das Paar voneinander unterscheidet, sollten der Ergänzung dienen. Durch die dadurch gewonnene entgegensetze Perspektive erhalten wir einen anderen Blickwinkel auf Sachverhalte, wodurch wir wachsen. Darüber hinaus lassen sich so eigene Defizite ausgleichen und es ist möglich, ein zwischenmenschliches Gleichgewicht zu erschaffen. Doch Vorsicht: Hiermit ist nicht gemeint, dass wir unseren Partner als „Krücke missbrauchen“.
Weder verletzend noch bedrohlich
Die Gegensätze des anderen dürfen uns nicht verletzen oder bedrohen. In einer glücklichen Beziehung können wir uns nicht dauerhaft in Konfrontation befinden. Das killt jede Liebe und ermüdet uns. Würde der Ehepartner stets am andere Tauende stehen und daran ziehen, weil sein Wille grundlegend anders ist als der unsere, sorgt dies für Unbehagen.
Einige gegensätzliche Eigenschaften können sogar für unüberwindbare Probleme sorgen und Gefahren bergen.
Ein Beispiel hierzu: Petra ist sehr schüchtern. Sie fühlt sich von Männern angezogen, die sehr resolut und selbstbewusst wirken. Mit Mario gerät sie jedoch an einen Mann, dessen dominante Natur nur Schauspiel ist. Dahinter verbirgt sich ein sehr unsicherer, gequälter Mensch, der durch Entschlossenheit und Arroganz Schwäche überspielen will. Petra und Mario ergänzen sich somit nur oberflächlich. Die Gefahr wäre groß, dass sie zusammen in eine toxische Beziehung stolpern, die letztlich beiden schadet.
Der Schlüssel ist damit die Komplementarität von Gegensätzen. Zwei Menschen haben sich im Groben demselben Lebensplan verschrieben. Die Besonderheiten und charakterlichen Unterschiede zwischen den beiden Ehepartner erhellt ihr gemeinsames Eheleben. Keiner leidet wegen des anderen.
Wie steht es um eure Chemie?
Wie unterscheidest dich du von deinem Partner? Worin liegen eure Gegensätze? Worin besteht die Harmonie? Wenn du dich mit Fragen wie diesen objektiv und ehrlich befasst, kannst du besser abschätzen, wie gut ihr zusammenpasst. Das ist gar nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint. Sprich auch mit deinem Ehepartner über eure Gegensätze und Gemeinsamkeiten. Vielleicht deckt ihr so auf, worin eure Harmonie besteht. Das gibt Paaren Kraft, eine Ehekrise trotz Widrigkeiten zu meistern.
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